Die Arbeitswelt im Wandel: Zukunftsprognosen und Spannungsfelder.

Das „New Normal“ ist gekommen, um zu bleiben – darin war sich die Arbeitswelt bis vor kurzem einig. Die im Oktober 2023 erschienene globale Studie des Beratungsunternehmens KPMG, bei der 1.325 CEOs großer Unternehmen zu Zukunftsthemen der Arbeitswelt befragt wurden, warf diese Erkenntnis nun allerdings über den Haufen. 64 Prozent der befragten CEOs gehen demnach davon aus, dass ihre Angestellten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden. Nur jeder vierte Befragte kann sich demnach weiterhin hybride Arbeitsmodelle vorstellen.

Dieses überraschende Ergebnis veranlasste uns dazu, noch einmal tiefer in Zukunftsprognosen und aktuelle Trends zur Zukunft der Arbeit einzusteigen, einen 360° Blick auf die Themen zu werfen und die unterschiedlichen Spannungsfelder und Perspektiven zu beleuchten. Denn gerade HR-Verantwortliche und die Mitarbeitenden selbst haben hier eine ganz eigene Vorstellung. Ein Zurück in die alte Normalität ist für die meisten Arbeitnehmenden wohl kaum mehr vorstellbar – denn die neu gewonnene Freiheit und Eigenverantwortung möchten sie nicht wieder zurückgeben.

Wir werden uns deshalb nachfolgend intensiver mit der vieldiskutierten Frage nach dem „Wo“, dem „Wieviel“ und dem „Wie“ beschäftigen. Also, der aktuellen Kontroverse wieviel Home-Office bzw. Büropräsenz gut und richtig für eine erfolgreiche Arbeitswelt ist. In diesem Zusammenhang fragen wir uns auch, wie bzw. woran Erfolg heute überhaupt festgemacht wird? Ist Leistung noch ein zeitgemäßer Indikator oder ist es eher der „Beitrag“ eines jeden Mitarbeitenden, an dem der Wert der Arbeit bemessen werden sollte? Mit einer Beantwortung dieser Frage gewinnen wir auch mehr Klarheit, wie eine zukunftsorientierte Arbeitskultur und ein zeitgemäßes Führungsverständnis aussehen können und welche Werte und Kompetenzen es dafür braucht. Auch die künstliche Intelligenz und ihren Einfluss auf unsere Arbeitswelt werden wir näher beleuchten – schließlich ruft sie bei vielen gleichermaßen Faszination und Bedrohung hervor.  Ein weiteres wichtiges Spannungsfeld sehen wir auch in der Veränderungsmüdigkeit, die sich aktuell breit macht und kontraproduktiv unserer volatilen Arbeitswelt gegenübersteht.

Wir sind uns sicher, dass diese Themen uns im nächsten Jahr beschäftigen und maßgeblich die Arbeitswelt formen und mitbestimmen werden.

Flexibel & Hybrid oder wieder „Zurück ins Büro“?

Nachdem die Mehrheit der CEOs sich ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zurückwünscht, ist die Arbeitswelt verunsichert. Denn obwohl die Produktivität im Rahmen der hybriden Zusammenarbeit nicht abgenommen hat, scheinen die CEOs nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass Büropräsenz und Unternehmenserfolg eng zusammenhängen. Sie befürchten, dass Innovation und Weiterentwicklung in der hybriden Welt auf der Strecke bleiben und sind sich sicher, dass physische Anwesenheit im Büro Kollaboration, spontanen Ideenaustausch und Teamdynamik fördern. Auch auf die Unternehmenskultur hat ihrer Meinung nach das Miteinander im Büro positive Auswirkungen – es stärkt den gemeinsamen Unternehmensgeist und die Identifikation mit dem Unternehmen. Zudem ist bei vielen CEOs noch immer verankert, dass Büropräsenz Führung erleichtert, da eine bessere Kontrolle der Arbeitsleistung möglich ist.

HR-Verantwortliche haben hier in der Regel eine entgegengesetzte Meinung. Sie wünschen sich für ihre Mitarbeitenden kein Zurück in die alte Normalität. Denn, das Angebot an flexiblem, ortsunabhängigem Arbeiten, fördert ihres Erachtens nicht nur Wohlbefinden, Gesundheit und Motivation der Mitarbeitenden. Es ist inzwischen auch ein wichtiger Vorteil im Recruiting – denn ein hohes Maß an Flexibilität schafft Freiraum für persönliche Bedürfnisse und Herausforderungen. Diese Freiheit ist deshalb immer öfter ausschlaggebend bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Flexible Arbeitsmodelle können ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein, um qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten.

Blicken wir auf die Argumente von CEOs und HR-Verantwortlichen, so sind beide Argumente nachvollziehbar. Dennoch glauben wir an eine Fortsetzung der hybriden Arbeitswelt. Allerdings ohne Patentrezept – sondern für jedes Unternehmen maßgeschneidert und auf die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zugeschnitten. Grundvoraussetzung für eine hybride Arbeitsstrategie ist ein genaues Verständnis der Arbeitsweisen, -prozesse und -bedürfnisse. Nur mit diesem Wissen kann eine Arbeitsumgebung gestaltet werden, die den Mitarbeitenden eine Heimat gibt und – sowohl im physischen als auch im virtuellen Raum –  ein rundum positives Arbeitserlebnis schafft. Hinzu kommen Services und Angebote, die den Mitarbeitenden einen echten Mehrwert bieten – sie können ein guter Anreiz sein ins Büro zu kommen. Eine übergeordnete Rolle spielt aber die Kultur – denn nur mit einer Arbeits- und Führungskultur die auf Vertrauen, Eigenverantwortung und Empowerment setzt, kann hybrides Miteinander in unterschiedlichen Formen reibungslos funktionieren und das volle Potential ausgeschöpft werden.

Leistung versus Beitrag – braucht Führung mehr Humanität?

Noch immer hält sich in der Arbeitswelt hartnäckig die Annahme, dass Mitarbeitende, die besonders großes Engagement zeigen, indem sie besonders lange arbeiten und viele Aufgaben erledigen auch besonders leistungsstark sind. Doch lässt sich Erfolg tatsächlich an hoher Leistungsbereitschaft bzw. viel Input messen oder geht es nicht vielmehr um den Wert des Beitrags, den sie leisten? In einer Unternehmenskultur, die auf New Work Werten basiert und auf Vertrauen statt Kontrolle setzt, geht es um die Erreichung von definierten Zielen, nicht um die Abarbeitung von Aufgaben oder das „Absitzen“ von Arbeitszeit.

Für dieses neue Leistungsverständnis braucht es auch ein neues Führungsverständnis – weg von Autorität hin zu mehr Menschlichkeit. So haben Führungskräfte in einer New Work Arbeitsumgebung die wichtige Rolle die Arbeitskultur vorzuleben und gleichzeitig Visionen zu vermitteln, klare Strukturen zu schaffen und eindeutige Ziele zu setzen. Denn nur so haben die Mitarbeitenden auch Klarheit wie sie sich – insbesondere in der hybriden Welt – verhalten sollten, welche Verantwortung sie tragen und welchen Beitrag sie zum Erfolg des Unternehmens leisten können. Gleichzeitig sollte die Führungskraft die individuellen Stärken der Mitarbeitenden erkennen und fördern und eine Umgebung schaffen, in der sich die diverse Mitarbeiterschaft wohlfühlt, ihre Kreativität entfaltet und innovative Ideen einbringen kann. Im New Work Leadership werden Führungskräfte zu Mentoren und Unterstützern, die eine menschliche Arbeitsumgebung schaffen und so die Mitarbeiterzufriedenheit, die Innovationskraft und den Unternehmenserfolg fördern.

Geld & Status oder lieber Vereinbarkeit & Sinn?

Die Generationen Y und Z verändern die Arbeitswelt nicht nur bei der Frage, wo sie zukünftig arbeiten möchten. Ein Paradigmenwechsel findet auch bei den Treibern bzw. den persönlichen Wünschen und Voraussetzungen bei der Wahl des Arbeitgebers und der generellen Zufriedenheit mit dem Job statt. Sind bei der Generation X häufig noch Geld, Status und Karriereentwicklung die ausschlaggebenden Kriterien, so stehen bei den jüngeren Generationen softe Faktoren wie Flexibilität und eine gute Work-Life-Integration deutlich mehr im Vordergrund.

Einen besonders hohen Stellenwert hat der Sinn und Zweck der Arbeit, so dass Unternehmen, die gesellschaftliche und soziale Ziele unterstützen, nicht nur ihren Unternehmenswert steigern, sondern auch im Recruiting einen deutlichen Vorsprung haben. War früher die fachliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden im Fokus, so bekommt die persönliche Entwicklung im Rahmen zusätzlicher Kompetenzen und Fähigkeiten heute mehr Beachtung. Denn gerade in der hybriden Welt sind neue Fähigkeiten gefragt, wie beispielsweise Anpassungsfähigkeit, digitale Kompetenz, emotionale Intelligenz, Kreativität, kritisches Denken, und Resilienz.

Auch wenn sich eine eindeutige Tendenz ausmachen lässt, sollte nicht vergessen werden, dass gerade in unsicheren Zeiten, eine angemessene Vergütung und Karrierechancen weiterhin ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers bleiben werden. Arbeitgeber, die auf die vielfältigen Bedürfnisse eingehen und flexible Arbeitsmodelle sowie Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, haben somit die besten Chancen im Recruiting und zufriedenere und engagiertere Mitarbeitende.

Mensch und Maschine – ein perfekter „Match“?

Die künstliche Intelligenz hat im letzten Jahr für Faszination und Schrecken gleichzeitig gesorgt. Sie ist leise in die Arbeitswelt eingezogen und hat in rasanter Geschwindigkeit ganze Tätigkeiten übernommen und Jobs überflüssig gemacht. Sie hat damit aber auch Freiraum für neue Aufgaben geschaffen und bietet bei richtiger Anwendung großartige neue Möglichkeiten. So groß die Widerstände auch sein mögen, die KI wird bleiben und sich weiterentwickeln. Für Unternehmen und Mitarbeitende bedeutet das, sie als Teil der Arbeitswelt zu akzeptieren und zu integrieren.

So geht es in erster Linie darum zu überlegen, wie Mensch und KI in Zukunft harmonisch und in Symbiose zusammenwirken können. Die Stärken der KI, wie schnelle Datenverarbeitung und Mustererkennung, können menschliche Fähigkeiten, wie Kreativität, Emotionen und ethisches Urteilsvermögen, perfekt ergänzen. Unternehmen kommt die wichtige Rolle einer sinnvollen Aufgabenverteilung zu – so kann die KI repetitive und zeitaufwändige Aufgaben übernehmen, um den Menschen von monotonen Tätigkeiten zu entlasten. Dies ermöglicht es Mitarbeitende, sich auf komplexere und kreative Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren. Denn gerade die menschliche Kreativität ist etwas, das die KI derzeit nicht vollständig replizieren kann. Die Zusammenarbeit sollte darauf abzielen, KI als Werkzeug zur Unterstützung und Inspiration für kreative Prozesse einzusetzen, anstatt wertvolle Arbeitskräfte zu ersetzen.

Politik und Wirtschaft tragen gemeinsam die große Verantwortung, einerseits die menschliche Arbeitskraft zu erhalten und sinnvoll einzusetzen, gleichzeitig aber auch den gewonnenen Zeitgewinn den Mitarbeitenden in Form von Freiräumen für die berufliche und persönliche Weiterentwicklung und ein mehr an Freizeit gutzuschreiben. Eine wichtige und längst überfällige Entwicklung ist in diesem Zusammenhang die 4-Tage Woche. Denn mit Blick auf die mentale und physische Gesundheit der Mitarbeitenden, die in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, wäre dieser Ausgleich ein Schritt in die richtige Richtung.

Macht Schnelllebigkeit Veränderungsmüde?

Ob technischer Fortschritt, Globalisierung oder wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten – unsere Welt wird immer schnelllebiger. Das hat auch einen großen Einfluss auf unsere Arbeitswelt, denn Unternehmen müssen in der Lage sein auf Marktanforderungen schnell zu reagieren und sich anzupassen. Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben möchten, setzen deshalb auf flexible Arbeitsmodelle, agile Prozesse und flache Hierarchien. Bei den Mitarbeitenden sind Resilienzfähigkeit und Agilität heute schon wichtige Schlüsselkompetenzen – dennoch führt der ständige Druck zur Anpassung bei vielen zu Ermüdung und Stress oder sogar Burn-out.

Ein nicht zu unterschätzendes Spannungsfeld entsteht, wenn die Organisation Veränderungen fördert, die die Mitarbeitenden aufgrund von Veränderungsmüdigkeit oder Angst vor dem Unbekannten nicht mittragen möchten. Deshalb ist es wichtig die Menschen in die Veränderungsprozesse einzubeziehen und auf ihrem Weg mitzunehmen. Eine starke Vision, kann den Mitarbeitenden einen Ausblick auf die neuen, positiven Möglichkeiten der Veränderung geben, sie motivieren und ihre Veränderungsbereitschaft erhöhen. Auch eine kontinuierliche Kommunikation ist entscheidend, um die Mitarbeitenden auf dem Laufenden zu halten und ihre Ängste und Bedenken in Begeisterung zu wandeln.

Um mit den sich schnell ändernden Technologien, neuen Arbeitsmethoden und -prozessen Schritt halten zu können, ist zudem lebenslanges Lernen unerlässlich. Unternehmen sollten konstante Transformation als Haltung in der Kultur verankern und in Lern- und Weiterbildungsmaßnahmen investieren, um die Kompetenzen und Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden kontinuierlich auf aktuelle und zukünftige Anforderungen anzupassen. Aber auch mehr Achtsamkeit und aktive Maßnahmen und Programme zur Förderung der physischen und mentalen Gesundheit sind wichtig, um ein Gleichgewicht herzustellen. Insgesamt sollte von den Unternehmen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Stabilität und Anpassungsfähigkeit geachtet werden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Unser Fazit

Unsere Erkenntnis aus den aktuellen Entwicklungen und Spannungsfeldern ist keine neue und lässt sich so zusammenfassen: der Mensch bleibt Dreh- und Angelpunkt im Wandel der Arbeitswelt. Nur wenn die Bedürfnisse der Mitarbeitenden verstanden, berücksichtigt und die Menschen in allen Veränderungsprozessen „mitgenommen“ werden, kann die neue Arbeitswelt auch nachhaltig erfolgreich sein.

Denn: die Menschen sind das wichtigste Kapital eines jeden Unternehmens.

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