Die heutige Wissensgesellschaft, sitzt – wie es Bernhard von Chartres schon 1120 treffend formulierte – auf den Schultern von Riesen. Fortschritt und Innovation kommen zustande, wenn wir dem vorgefundenen Wissensschatz unseren eigenen Beitrag hinzufügen. In Organisationen mit einem unerschöpflichen Schatz an Wissen und Erfahrungen, braucht es aber die richtigen Rahmenbedingungen, damit Wissen und Erfahrungen geteilt werden können.
Kristin Block, Wissensbegleiterin mit eigener Beratung, verrät im Gespräch mit Carina de Lange, Innovation & Change Managerin bei workingwell, wie eine offene Wissenskultur im Unternehmen verankert werden kann.
Kristin, lass uns über Wissen sprechen. Was ist eigentlich Wissensmanagement?
Ich mag den Begriff des „Wissensmanagements“ eigentlich nicht. Der Begriff wird der Komplexität und Dynamik, der dem Prozess innewohnt, nicht gerecht. Wissen können wir immer nur partiell „managen“ und ist an Menschen gebunden. Ich bevorzuge daher das Bild, das Wissen „orchestriert“ werden muss. Denn wie in einem Orchester hat auch in einer Organisation jedes Individuum eine einzigartige Rolle, einen festen Platz und klare Verantwortlichkeiten. Trotz dieser Individualität arbeiten alle gemeinsam daran, ein harmonisches Gesamtbild zu erschaffen.
Was muss ich dann also tun, um Wissen – so wie Du es formulierst – zu „orchestrieren“?
Um im Bild des Orchesters zu bleiben: die Noten dienen als Richtlinien, aber die Interpretation und das Spiel liegen in den Händen und Köpfen der einzelnen Musiker: innen. Hier tritt der Dirigent oder die Dirigentin auf den Plan – sie geben den Takt vor und formen ein zusammenhängendes Gesamtkunstwerk. In ähnlicher Weise betrachte ich Wissensmanagement. Es geht nicht nur darum, Daten zu organisieren oder Informationen zu verwalten, sondern vielmehr darum, sie in einen Kontext zu setzen. Die Menschen sind die Musizierenden, die ihren Wissensschatz erkennen, und ein guter „Dirigierender“ – sei es die Teamleitung oder Mentor: in – gibt die Richtung vor, um das volle Potenzial des Wissens zu entfalten.
Ich möchte mal eine provokative These aufstellen. Bei unserem letzten Innovation Hackathon lautete eine unserer Thesen: „Subject Matter Experts – also Fach-Expert:innen – sind tot.“ Denn Wissen ist nicht mehr exklusiv oder hierarchisch. Es geht darum, Wissen zu finden, zu teilen und neu zu interpretieren. Nur so kommen wir vom Wissen zum Können. Wie siehst Du das?
Das sehe ich ähnlich. Da gibt es ein Wort, dass mir dazu ganz spontan einfällt. Es geht um Kollaboration: Wissen baut auf Wissen auf. Aus der Zusammenarbeit und dem Austausch entsteht der Wissensübertrag ins Können. So wie Du es richtig sagst, müssen wir weg vom hierarchischen Denken hin zum Denken in Netzwerken. Dazu müssen wir Wissensmonopole aufbrechen. In vielen Unternehmen gilt immer noch das Credo „Wissen ist Macht” und in den Unternehmen versuchen Mitarbeitende Macht zu halten. Doch in vielen Organisation bröckelt diese Macht und es setzt sich die Erkenntnis durch, dass nur geteiltes Wissen dem Unternehmen wirklich hilft ihre Ziele zu erreichen. Eine Voraussetzung dafür ist die Etablierung einer Wissenskultur.
Und wie gelingt uns das? Wie schaffen wir eine Wissensteilungs-Kultur?
Wissensmanagement wird immer als das große Projekt gesehen. Dabei ist es zielführender an vielen kleinen Stellschrauben drehen, um eine Wissenskultur im Unternehmen zu etablieren. Es gilt Neugierde zu wecken und zu zeigen, dass es keine großen Veränderungen braucht, um Wissensmanagement zu betreiben und Verhaltensweisen in der Organisation zu ändern. Dabei fangen wir am besten klein an. Das bedeutet: erstmal in einem Team einen vertrauensvollen Raum schaffen, in dem Wissensaustausch und Kollaboration gefördert wird. So wird die Verantwortung in die Organisation selbst, an die Mitarbeitenden also, delegiert. Dadurch wird klar, dass jede:r Einzelne einen Beitrag dazu leisten kann. Auf diese Weise können auch schon kleine Erfolge transparent kommuniziert werden. Es entsteht Appetit auf Mehr. Andere Maßnahmen, die ich empfehlen kann, sind beispielsweise: Wissenscoaches zu benennen oder über einen Markt der Möglichkeiten bzw. über Impulsvorträge Best Practices zu präsentieren. So setzt das Verhalten Einzelner einen Domino-Effekt in Gang und Wissen teilen wird von Ritual und Routine zur Kultur.
Und welche Rolle spielen die Führungskräfte dabei?
Die Wissenskultur eines Unternehmens wird von den Führungskräften und ihrem Umgang mit der Ressource „Wissen“ geprägt. Sie stehen durch ihre Vorbildfunktion in der Verantwortung, eine Kultur des Lernens und der Neugierde zu fördern, in der alle Teammitglieder mitgenommen und befähigt werden, ihr Wissen kontinuierlich zu teilen. Alle Mitarbeitenden mitnehmen heißt aber auch die zu sehen, die nicht in der vorderen Reihe stehen, laut oder extrovertiert sind. Auch in diesen Personen steckt enormes Wissenspotenzial, das wert ist, gehoben zu werden.
Wenn es die eine Sache gäbe, die Du uns beim Wissensteilen unbedingt mitgeben möchtest, welche wäre das? Wie wir unser Wissen teilen, mit wem wir unser Wissen teilen – wir haben es selbst in der Hand. Das Einzige, das wir dafür benötigen, ist Offenheit und Selbstvertrauen es mit anderen teilen zu wollen. Der Wirkungsgrad fängt bei uns selbst an und darin liegt die große Macht.
Kristin Block (www.mehr-wissen.biz) begleitet Unternehmen unter anderem beim strukturierten Know-how-Transfer von Führungskräften und Experten. Für sie steht der Mensch bei ihrer Arbeit im Vordergrund.
Carina de Lange ist Change- und Innovation-Managerin bei workingwell. Mit ihrer langjähriger Trainingserfahrung und umfassendem New Work Wissen sensibilisiert sie Mitarbeitende und Führungskräfte für die Chancen eines Kulturwandels. Gleichzeitig mobilisiert Carina sie Arbeiten neu zu denken.
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