Wissen, 01.06.2023

Die Vier-Tage-Woche: das Arbeitsmodell der Zukunft?

In unserer digitalisierten Arbeitswelt haben wir dank modernster Technologien eine nie dagewesene Produktivität erreicht. Aber die Digitalisierung hat auch Schattenseiten, denn Arbeitnehmende sind heute stärker beansprucht als je zuvor. Die Schnelligkeit der Arbeit und die ständige digitale Beschallung stellen hohe Anforderungen an die Arbeitnehmer: innen. Gerade vor diesem Hintergrund gewinnt die Idee einer Vier-Tage-Woche immer mehr an Bedeutung. Vier Tage hoch produktiv arbeiten und drei Tage regenerieren und Herzensthemen nachgehen – das klingt nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance.

Die Digitalisierung hat unsere Arbeitsweise revolutioniert. Moderne Technologien und effiziente Tools ermöglichen es uns, Aufgaben deutlich schneller und effizienter zu erledigen als je zuvor. Gerade auch die Automatisierung, der Einsatz künstlicher Intelligenz und die Echtzeitkommunikation haben zu einem enormen Anstieg der Produktivität geführt. Büro- und Wissensarbeiter können heute mit weniger Zeitaufwand deutlich mehr erreichen als noch vor 20 oder 30 Jahren. Am klassischen Arbeitszeitmodell hat sich jedoch seit den 60er Jahren nichts geändert – die 40-Stunden Woche, verteilt auf 5-Tage ist noch immer Standard in unserer Arbeitswelt.

Die Arbeitswelt heute: digitaler, schneller, anstrengender

Die gesteigerte Produktivität hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Die Arbeitnehmenden sind in der heutigen schnelllebigen und digital geprägten Arbeitswelt einem erhöhten Druck ausgesetzt. Denn die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen immer deutlicher, da E-Mails, Chat-Nachrichten und andere digitale Kommunikationsmittel rund um die Uhr verfügbar sind. Arbeitnehmende fühlen sich häufig verpflichtet, permanent erreichbar zu sein und schnell zu reagieren. Dies führt nicht selten zu erhöhtem Stress und mentaler Erschöpfung. Wie aktuelle Studien, wie beispielsweise der DAK Psychreport 2023 zeigt, erreichte 2022 die Zahl der Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen den Höchststand.

Eine ausgewogene Work-Life-Balance ist deshalb in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Arbeitnehmende müssen die Möglichkeit haben, sich von den hochproduktiven Zeiten zu erholen, persönlichen Interessen und Verpflichtungen nachgehen und ausreichend Zeit mit ihrer Familie verbringen zu können. Pausen und Regenerationsphasen sind entscheidend, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden und langfristig gesund, motiviert und kreativ zu bleiben.

Hier kommt die Vier-Tage-Woche ins Spiel. Dieses Arbeitszeitmodell verkürzt die herkömmliche Fünf-Tage-Woche auf vier Tage, wobei die Arbeitszeit pro Tag in der Regel unverändert bleibt. Auch das Gehalt bleibt beim klassischen Vier-Tage-Modell gleich. Arbeitnehmende erhalten somit einen zusätzlichen freien Tag pro Woche, den sie nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten können. Gerade für Arbeitnehmende mit Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen wäre die Vier-Tage-Woche ein bedeutender Schritt. Denn diese Mitarbeitergruppe mit Doppelbelastung, hat einen besonders großen Regenerationsbedarf. Die Vier-Tage Woche kommt zudem auch dem Wunsch der meisten Mitarbeitenden – und vor allem der Generationen Y und Z – nach mehr Zeit für eigene Projekte, Weiterbildung und sportlichen Aktivitäten nach.

Win-Win für beide Seiten?

Aber auch Unternehmen können von einer Vier-Tage-Woche profitieren. Denn eine verkürzte Arbeitswoche kann den Krankenstand reduzieren, die Mitarbeiterproduktivität steigern und den Umsatz erhöhen. Das zumindest zeigt eine aktuelle Studie der University of Cambridge in England bei der 61 Unternehmen ein halbes Jahr die 4-Tage Woche getestet haben. Demnach fühlten sich 71 % der Mitarbeitenden weniger „ausgebrannt“ und 39 % weniger gestresst. Es wurden 65% weniger Krankheitstage und 57% weniger Kündigungen verzeichnet. Besonders interessant ist aber eine durchschnittliche Umsatzsteigerung von 1,4 %.

Das lässt vermuten, dass Arbeitnehmende mit einer Vier-Tage-Woche, während ihrer Arbeitszeit konzentrierter und effizienter arbeiten. Denn weniger Zeit für die gleiche Arbeit, bedarf einer besseren Organisation des Arbeitstages, festen Zeiten für Fokusarbeit und einem stärkeren Bewusstsein welche Aufgaben und Termine für die Bewältigung der Arbeit wirklich hilfreich sind. Führungskräften käme bei der Einführung einer 4-Tage Woche eine wichtige Rolle zu – denn die Steuerung und das Etablieren einer effizienteren Zusammenarbeit mit produktiveren Meetings und genauen Zielvorgaben, wäre eine wichtige Grundvoraussetzung für das Gelingen.

Herausforderungen und Chancen

Natürlich gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung einer Vier-Tage-Woche. Insbesondere in Branchen mit rund um die Uhr laufenden Betrieben oder im Dienstleistungssektor kann es schwierig sein, die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dass die Dienstleistungsqualität oder die Kundenbetreuung leidet. Eine sorgfältige Planung der Aufgaben und Ressourcen ist daher entscheidend, um sicherzustellen, dass die Arbeitslast gleichmäßig auf die verbleibenden Arbeitstage und gegebenenfalls auf andere Mitarbeitende verteilt wird. Im produzierenden Gewerbe müssten Arbeitsabläufe neu gedacht und ggf. Anpassungen in der Schichtarbeit gemacht werden – nur so könnte eine reibungslose Produktion sichergestellt werden. Auch Arbeits- und Tarifverträge müssten ggf. neu verhandelt und verabschiedet werden. Für Unternehmen, die Schwierigkeiten haben den Arbeitsanfall zu bearbeiten, könnte auch eine 4-Tage/36-Stunden-Woche ein erster Schritt sein. Dabei würden sich verbleibenden vier Stunden auf die vier Arbeitstage verteilen.

Unternehmen, die ihre Arbeitswelt nach New Work Grundsätzen gestaltet haben, sollten die Vier-Tage-Woche als ein wichtiges Instrument zur Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung berücksichtigen. Denn das Konzept setzt auf eine Unternehmenskultur bei der Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen in die Mitarbeitenden im Fokus stehen.

Insgesamt stellt die Vier-Tage-Woche für viele Branchen eine zeitgemäße Lösung für die Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt dar. Sie ermöglicht es Arbeitnehmenden, von den Effizienzgewinnen der Digitalisierung zu profitieren und gleichzeitig eine ausgewogene Work-Life-Balance zu erreichen. Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche einführen, können ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern und eine positive Unternehmenskultur fördern. Die Vier-Tage-Woche scheint ein konsequenter Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt zu sein, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden gerecht wird.

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